Donnerstag, 3. April 2014

17. Etappe..13.-17.Sept. 2010



Mittwoch, 15. September 2010
Sonne, 19 Grad
                        

17. Etappe:  Hagenburg – Haste – Bad Nenndorf - Barsinghausen

Tagesstrecke:  33 km
Gesamtstrecke: 466 km
Wanderweg:  E1

 

Die Enten oder eben Gänse haben ihre Aufgabe hervorragend gelöst. Ich schlief bis 9 Uhr! Um zum Frühstück zu kommen, musste ich erst mal um das Haus, zum Haupteingang und klingeln. Der Frühstücksraum war in einer Art Wohnzimmer, das kam mir bekannt vor. Schon in Süderschmedeby und Soltau war das so. Das Frühstück war gut, der Raum mit einigen Gästen besetzt, und im Hintergrund lief NDR 1 im Radio.

Gegen 10 Uhr machte ich mich dann auf den Weg. Der E1 war schon nach 15 Minuten wieder gefunden und nun ging es aus Hagenburg raus in ein Waldstück. Der Weg wurde immer schmaler bis er kaum noch als dieser zu erkennen war. Der Wald öffnete sich, und ich lief am Waldrand, als ich nun den großen Berg, den ich am Vorabend im Scheinwerferlicht schon sah, erblickte. Dieser Berg, circa 80 Meter hoch, besteht aus Kali und Salz und gehört zum Kaliwerk Sigmundshall. Mein Weg führte keine 250 Meter daran vorbei, bevor es in südlicher Richtung weiter ging. In der Ferne konnte ich auch schon den 405 hohen Bergzug Deister erkennen, obwohl noch Luftlinie 13 Kilometer entfernt. Bei genauem Hingucken mit geschärftem Blick erkannte ich auch den Fernsehturm, der sich genau da befindet, wo ich Richtung Barsinghausen abbiegen musste. Erst in gut sechs Stunden sollte ich vor ihm stehen. Es ging sanft runter nach Mesmerode und Idensen. 

Die Landschaft war schön, der Weg sehr gut beschildert, und es würde nicht mehr lange dauern, bis ich am Mittellandkanal stehen würde. 30 Minuten später war es so weit: Der Mittellandkanal. Irgendwie erfüllte mich das mit Stolz. Hört sich so nach der Mitte Deutschlands an. Ist aber völlig falsch. Die Nordsee ist nur 180 Kilometer entfernt und der Bodensee ganze 520 Kilometer. Der Kanal selbst ist 325 Kilometer lang und verbindet das Ruhrgebiet mit Minden, Hannover, Wolfsburg bis nach Sachen und der Elbe. Eine Besonderheit des Mittellandkanals: Die Wasserstraße führt bei Minden über die Weser hinweg. Auf einer Klassenfahrt habe ich das mal erleben dürfen.  Mit einem Ausflugsdampfer auf dem Mittellandkanal über die Weser hinweg und auf der Weser unter dem Mittellandkanal entlang. Am Kanal machte ich dann eine Pause und machte Mittag. Nach meiner Stärkung mit Käse, Wurst und Kaffee überquerte ich den Kanal auf einer kleinen Brücke in einen Wald. Hier ging es im Zickzack nach Haste. In einem Wohngebiet in Haste sprach mich ein Mann an. Er kam schnell auf den Punkt: „Schon öfter sah ich hier Wanderer, warum?“ Ich erklärte ihm, dass seine Wohnstrasse zugleich der Weg des E1 von Flensburg nach Genua sei und die Zeichen an den Laternen, das weiße X, die Wegmarkierung. Er lachte, freute sich, meinte, er habe sich schon immer gefragt, was die Aufkleber zu bedeuten hätten und wünschte mir einen schönen Tag. Das Waldstück, das ich nun durchlief, war sehr von Forstwirtschaft geprägt. Die Wege gut für schweres Gerät zu befahren und links und rechts des Weges lagerten lange Holzstämme. Kaum aus dem Wald hinaus hörte ich auch schon ein vertrautes Geräusch: Die Autobahn. Nur dass es nicht mehr meine alte Bekannte, die A7, war, es war die A2, die sich aber nicht anders anhörte! Der Deister kam immer näher, die „Bergwelt“ würde bald erreicht sein. Zuvor musste ich noch durch einen Vorort von Bad Nenndorf , Waltringshausen,  wandern. An einem Bahnübergang mit Halbschranken fiel mir schon von weitem auf, dass Blumen und andere Gegenstände hier abgelegt wurden. Als ich den Übergang erreichte,  war mir sehr schnell klar geworden, dass vor nicht allzu langer Zeit, die Blumen waren noch sehr frisch, ein großes Unglück passiert sein musste. Aufgrund der Gegenstände, kleine Teddys, Spielzeug und gemalte Bilder, war zu vermuten, dass das Unglück mit einem Kind passiert sein musste. Ich versuchte, das nicht zu sehr an mich ran zu lassen, was mir komischerweise auch gelang. Zu Hause angekommen, habe ich dann doch im Netz geguckt, was da passierte. Ein neunjähriger Junge, der trotz geschlossener Schranke den Übergang querte, wurde von einem Zug erfasst und verstarb dann einen Tag später im Krankenhaus. Unfassbares Leid.  

Kurz vor Bad Nenndorf ging es durch einen Kurpark und alten angelegten Gärten. Den Deister vor Augen ging es nun schon richtig bergauf. Immer wieder schaute ich zurück, erfreute mich am weiten Blick in die Ferne und konnte auch den Kaliberg sehen. Unter der A2, durch einen kleinen Tunnel, ging es in den Wald und recht steil bergan. Nun merkte ich auch das erste Mal meine Beine und meine Schulter. Der Rucksack zog schon gewaltig an mir. Die Schultergurte hatten bereits Abdrücke hinterlassen. Irgendwas stimmte nicht. Mir fiel dann auf, dass die Schultergurte kaum noch gepolstert waren, als ob das Innenleben der Gurte sich aufgelöst hatte. „Dünn wie ein Gürtel“ ging es mir durch den Kopf, der nun schweißbedeckt war. Auf dem halben Weg nach oben kam ich an einem Gasthaus vorbei. Ich schwankte zwischen einkehren und weiter laufen. Beim Blick auf die Uhr erschrak ich ein wenig und so war die Entscheidung, weiter zu gehen, die einzig Richtige. Immer wieder fragte ich mich, wann denn nun endlich der Fernsehturm vor meinen Augen erscheinen würde, aber ich sah nur Bäume - Nadelbäume um genau zu sein. Der Weg führte nicht mehr auf Wanderwegen, es waren Fahrwege. Hart, steinig. Füße und Schulter meldeten langsam, dass sie nicht mehr wollten, als wie aus dem Nichts der Turm vor mir stand, den ich bereits vor sechs Stunden schemenhaft wahrgenommen hatte. Ab jetzt ging es nur noch bergab nach Barsinghausen. Mir war aber durchaus klar, dass ich das morgen wieder rauf musste! Bergab ist nicht, wie man glauben könnte, leichter als bergan, der Rucksack drückte, die Knie mussten das Gewicht abfangen, die Beine fingen an, schlapp zu werden und zitterten leicht. Ab und an blieb ich einfach mal kurz stehen, um mich zu erholen. Ein Fuchs spielte kurz vor Waldende und Barsinghausen auf dem Waldweg. Als er mich wahrnahm, flitzte er weg.

Mein Hotel war ziemlich in der Mitte der Stadt. Von außen schon nicht mehr das modernste, aber im Fachwerkstil, direkt an einer Kreuzung gelegen. Erst mal stand ich vor verschlossenen Türen aber mit einem Hinweis, dass man bei Ankunft eine Nummer anrufen könnte. Okay, Rucksack runter, Handy ausgegraben und anrufen. Die freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung, Handy hat gar keine Leitung (!), erklärte mir, dass ich eine Nummer am Safe, der an der Wand hing, eingeben müsste, im Inneren wäre dann mein Schlüssel. Klappte, der Schlüssel war in meinen Händen. Ich wohnte unter dem Dach in einem guten Zimmer im 60er Jahre Ambiente, aber sauber und groß. Auf dem Weg nach oben, die Treppe knarrte wie verrückt, kam ich an einem Kühlschrank mit Gerstensaft vorbei, der Abend wäre diesbezüglich schon mal gesichert. Aus meinem kleinen Zimmerfenster konnte ich auf die Kreuzung gucken, auf dessen anderer Seite eine Bude stand. Auf großen leuchtenden Lettern verkündete diese Bude, dass es sich um einen Imbiss handelte. Ich bekam Hunger, Hunger auf Pommes Schranke. So ging ich noch vor dem Duschen in die verheißungsvolle Fettbude, bestellte Pommes rot-weiß und einen Hamburger zum Mitnehmen. Die „Muttis“ am Fettherd fanden mich wohl ganz nett, sie lachten und tuschelten rum, guckten immer wieder zu mir rüber. Für diese freundlichen Blicke gab es dann auch ein kleines Trinkgeld, bevor ich mich wieder in mein Hotel zurückzog. Auf dem Weg ins Zimmer noch schnell paar Biere aus dem Kühlschrank geholt, gegessen und geduscht. 

Sehr müde lag ich im Bett, Kopfhörer auf und Hape gelauscht, nach zwei Minuten schlief ich allerdings schon ein.

Die Beine waren für die 33 Kilometer erstaunlich gut. Ich hatte nie Sorge um meine Gesundheit, wie es 2009 der Fall war. Im Gegenteil, ich freute mich, wieder los zu können, zu wandern, die Natur einzuatmen, die Blicke schweifen zu lassen. Wandern ist eine der leichtesten Arten, zu sich zu kommen, sich zu spüren und zu fühlen. Ich kann meinen Eltern nur danken, dass sie mir das Wandern im positiven nahe gebracht haben. 













Der Kali- und Salzberg kurz hinter Hagenburg und fünf Kilometer vor dem Mittellandkanal.













Am Horizont der Deister. Kaum zu erkennen, der Fernsehturm, den ich erst in sechs Stunden erreichen werde.








 




Pause am Mittellandkanal. An Essen und Trinken fehlte es mir nie!















Von der Pausenbank aus, konnte ich die Binnenschiffe beobachten.













Der Tunnel, nur für Fußgänger, unter der A2. Ab nun ging es immer Bergauf, zum Deister. 

















Sehnlichst erwartet, plötzlich da. Der Fernsehturm auf dem Deister. Ab jetzt ging es Bergab nach Barsinghausen, in mein Hotel und zu den "Fettmuttis"!


 


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