Mittwoch, 19. März 2014

14. Etappe....22. - 28.Mai 2009



Donnerstag, 28. Mai 2009
Erst Regen, dann Aufheiterung bei 18 Grad
                        
14. Etappe: Celle - Wennebostel

Tagesstrecke:  33 km
Gesamtstrecke: 393 km
Wanderweg:  E1/Regionale Wege


Schlecht geschlafen wachte ich früh auf. Der Rücken und das Schienbein schmerzten. Der Wetterbericht hatte Recht behalten: Es regnete. Das Frühstück war schnell eingenommen, meine Thermoskanne hatte ich mir noch mit Kaffee füllen lassen. Vor der Jugendherberge standen zwei Typen mit ihren Motorrädern, die ebenfalls in der Herberge geschlafen hatten. Über den Regen haben die sich sichtlich nicht gefreut. Falls der Regen sich verstärken sollte, hatte ich zur Sicherheit meine Regenhose übergezogen, und so trottete ich los.

Schnell merkte ich mein Schienbein und in einer Art Schonhaltung konnte ich die Schmerzen ein wenig eindämmen, aber wirklich nur ein wenig. Wie wir alle wissen, wirken sich Schonhaltungen auf andere Gliedmaßen nicht immer positiv aus, mal abwarten, was da heute noch so auf mich zukommen sollte. 
Kurze Zeit später ließ der Regen nach, ich konnte die Regenhose, die die Wärme eh nur staute, wieder ausziehen und verstauen. Die Wegmarkierungen in Celle waren alles andere als gut. Entweder nicht vorhanden oder derart alt und schlecht, dass ich größte Mühe hatte, sie zu finden. Da kam es gerade recht, dass ein älterer Herr auf einem Rad anhielt, mich fragte, ob ich den E1 laufen würde und mir mitteilte, dass der Weg hinter der nächsten Brücke rechts abgehen würde. Nun gut, ich bedankte mich und 20 Minuten später stand ich an besagter Stelle und bog an einer belebten Straße Richtung Westen ab. Ich war nun am Rande von Celle und mehr durch Zufall als durch Wissen fielen mir kaum erkennbare Wegweiser auf, die mich nun in einen Wald führten. Kurze Zeit später war es vorbei mit Wegweisern. Entgegen meiner Erfahrung kehrte ich nicht um, um den letzten Wegweiser nochmals aufzusuchen, ich lief einfach weiter bis zum Ort Wietzenbruch. Viel zu spät guckte ich auf die Karte. Ups- völlig neben der Spur. Ich hätte nun 1,5 Kilometer weiter im Norden sein müssen, den E1 hatte ich nun völlig verpasst und meine Wahrnehmung, ich würde bald wieder auf ihn stoßen, war nicht real. Um auf meinen Weg zu kommen, müsste ich entlang einer Landstraße ohne Fuß- und Radweg gute vier Kilometer wandern. Ausgeschlossen. Eine neue Route musste her. Ich zeichnete eine Route, zwei Kilometer südlich vom E1, in die Karte ein, die in 17 Kilometer wieder auf den E1 stoßen würde. Ein Problem gab es allerdings. Ich würde in dieser Zeit, 17 Kilometer entsprechen ungefähr fünf Stunden, an keiner „Futterkrippe“ vorbei kommen. Ich überprüfte die „Bordmittel“ und stellte fest, dass ich genug zum Trinken und Essen dabei hatte, um fünf Stunden in der „Wildnis“ zu überleben.

Meine nun neue Route führte mich entlang schöner Felder, Wälder und Lichtungen. Meine Schonhaltung wurde immer schonender für das Schienbein, aber belastender für die Hüfte. Ich versuchte meinen Gang immer wieder zu verändern, was zur Folge hatte, dass ich mich mehr meinem Gang widmete als der schönen Gegend, die mir viel besser gefiel als in den vergangenen Tagen. Ich machte viele Pausen, um immer wieder meinem Schienbein eine Massage zu verabreichen. Danach war dann auch erst mal für kurze Zeit gut, bis der Schmerz wieder Macht über mich ergriff.  Es war, als ob mir jemand mit Stecknadeln ins Bein pikste. Die Wege waren mal breit und gut begehbar, mal sehr schmal und versteckt, wohl nur Jägern bekannt. Ab und an waren Holzarbeiter im Wald zu hören oder zu sehen. Die Motorsägen hallten durch das Gehölz, bis ein anderes, mir bekanntes Geräusch hinzukam. Ich näherte mich zum wiederholten Male der A7 und das würde bedeuten, ich würde auch wieder auf den E1 stoßen und richtig - wie aus heiterem Himmel sah ich einen Wegweiser des E1. Ich freute mich, als ob ich einen alten Freund wieder getroffen hätte.

Auf der Brücke über die A7 schaute ich wieder den Autos nach. Diese Autobahn verfolgte mich, oder ich ihr, nun seit Lottdorf kurz nach Schleswig. Viermal überquerte und einmal unterquerte ich sie auf meinem Weg durch Deutschland – heute war es das letzte Mal.

Mein Gang wurde immer idiotischer, auch wurde ich unendlich langsam. Es lagen nur noch fünf Kilometer vor mir.... Heute! Morgen sollten es zum Abschluss 35 Kilometer werden! Es war mittlerweile 16 Uhr, die Sonne hatte sich doch noch durchsetzten können, als ich an einer kleinen kaum befahrenen Straße mit Baumalleen links und rechts Richtung Ziel, Wennebostel, lief. Hier bereute ich es, dass ich Imke den Auftrag gegeben hatte, mir ein Hotel in Steinhude zu besorgen. Ich zweifelte an mir und an meinem Schienbein, das schaffen zu können.

Das Hotel in Wennebostel war schnell gefunden, denn es lag genau auf dem Weg. Mein Gefühl, als ich es sah, war das Folgende: Ich will nicht mehr in einem Hotel schlafen, alleine am Tisch sitzen, alleine essen und trinken. Ich will auch mal wieder mit mir bekannten Menschen und Freunden sprechen. Ich humpelte zur Schlafstätte, Tür verschlossen. Ich klingelte, keiner machte auf. So saß ich nun auf der steinernen Treppe und hätte heulen können. ENDE. Nun ist Schluss. Die Zeichen sind nicht mehr zu übersehen. Mein Körper zeigte es mir seit Tagen, mein Gefühl war nicht mehr gut, die Hoteltür verschlossen. Hier und jetzt werde ich das Wanderjahr 2009 beenden. Nach sechs fremden Betten, sieben Tage wandern und über 190 Kilometern durch drei Bundesländer wollte ich nach Hause. Der nächste Bahnhof, in Bissendorf, lag nur zwei Kilometer entfernt. Auf der Zugfahrt in die Heimat stornierte ich das Hotel in Steinhude.

Gegen 21 Uhr war ich zu Hause, duschte und wollte vom Wandern nichts mehr hören und sehen.
Der Arzt, den ich am Montag aufsuchte, stellte fest, dass ich im Schienbein eine Knochenhautentzündung hatte. Es dauerte einige Zeit, bis ich wieder schmerzfrei unterwegs sein konnte. Die Belastung war wohl doch zu groß. Es war ja nicht nur die Last des Rucksacks, die ich mit mir trug, es war auch mein Leben, das sich derzeit ja im Wandel befand und neu aufgestellt wurde. Und um Last los zu werden, musste ich mich von Dingen trennen. Entlasten - das würde also die Aufgabe der nächsten Jahre sein. Abwarten.  




  


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