Samstag, 17. Mai
2008
bewölkt und anhaltender Regen bei 14 Grad
bewölkt und anhaltender Regen bei 14 Grad
7. Etappe: Glückstadt - Wedel
Tagesstrecke:
33 km
Gesamtstrecke: 195 km
Wanderweg: Elbe Rad Weg
Gesamtstrecke: 195 km
Wanderweg: Elbe Rad Weg
Ohne Lärm und
morgendlichen Rennmäusen auf langen Fluren, durch das anstehende Wochenende
waren keine Schulklassen in der Herberge, wurde ich recht früh wach. Mein
erster und zweiter Gedanke: Heute ist der letzte Tag! Heute Abend schlafe ich
zu Hause.
Das Frühstück war für eine
Jugendherberge schon außergewöhnlich. Außer einer Auswahl verschiedenartiger
Brötchen gab es auch Croissants und frisches Obst. Bevor ich startete, unterhielt ich mich noch kurz mit dem
„Jugendherbergsmanager“. Es lagen heute ja ganze 33 Kilometer vor mir, und ich musste zu bestimmten Zeiten an
bestimmten Orten sein. An der Krückau und der Pinnau, die beide in die Elbe
münden, musste ich Brücken überwinden, die zu bestimmten Zeiten nicht
passierbar waren. Für die Schifffahrt
werden die Brücken gehoben und als Fahrradfahrer oder Fußgänger müsste man bis zu einer Stunde warten.
Die hiesige Zeitung hatte ja Regen voraus gesagt und nach
gut 20 Minuten auf dem Weg Richtung Endziel 2008 ging es auch schon los. Erst
leicht, dann immer stärker und recht beständiger. Kurz kam mir der Gedanke, wie
schön es sei, dass Tageszeitungen auch recht haben könnten, denn ich bin ja
einer Tageszeitung eng verbunden. Lange hatte ich aber nicht Zeit, mir mehr
Gedanken über Zeitungen und deren Wahrheitsgehalt zu machen, denn zum einen
müsste ich mich beeilen, in die
Regenklamotten zu kommen, zum anderen würde mir die Zeitung meinen Alltag wieder vor Augen führen, der
mich Montag erwartete. Nun würde sich zeigen, ob meine „Nassklamotten“ hielten,
was sie versprachen. Regenjacke,
Regenhose und Regenschutz für den Rucksack waren schnell übergestreift. Immer
die Elbe im Blick ging es stromabwärts, den Betonradweg entlang. Die Karte brauchte ich heute nicht zu bemühen,
es gab nur den einen Weg, den Weg Richtung Hamburg und Wedel. Der Weg wurde mit
der Zeit immer langweiliger. Erschwerend kam hinzu, dass überall, aber auch
wirklich überall, Schafhaufen lagen. Egal ob ich auf dem Radweg oder auf dem
Deich lief. Allgegenwärtig: Schafhaufen. Zu Anfang versuchte ich noch, ihnen
auszuweichen. Nach und nach verabschiedete ich mich von diesem Vorhaben.
Schlussendlich war es mir sogar egal, ich lief einfach durch die „Kacke“. Die
Brückenübergänge hatte ich rechtzeitig überwunden, und um nicht in Langeweile
zu ermüden, beschäftigte ich mich mit Kopfrechen. Die riesigen Containerschiffe
waren eine schöne Aufgabe. Wie viele Container mag so ein Schiff über die Meere
transportieren? 1.000, 3.000, 10.000, 20.000?. Wenn ein Container zwei Meter
hoch wäre, wären gestapelte 10.000
Container schon 20.000 Meter hoch oder
auch 2,2 mal so hoch wie der Mount Everest. Nun wusste ich, dass auf den
größten Containerschiffen der Mærsk Line bis zu 18.000 Container Platz
finden, die jeder für sich eine Höhe von gut 2,60 Metern haben. Macht also
übereinander gestapelt gute 46.800 Meter Höhe oder gute 5-mal den höchsten Berg
der Erde! Nischenwissen!
In der Ferne sah
ich riesig hohe Strommasten, deren Kabelstränge die Elbe überspannten. Umso
näher ich ihnen kam, umso höher kamen sie mir vor. Nach guten 2 Stunden stand
ich an den Masten, die wie Fort Knox gesichert waren. Ein Infoschild verriet
mir und anderen Interessierten, dass die Masten nahezu 227 Meter in den Himmel
ragen und damit die Höchsten Europas sind , 60 Meter mehr als der Kölner Dom. Sehr
imposant, die in Rot und Weiß gehaltenen stählernen Riesen.
Ich war gut in
der Zeit und gönnte mir eine Stunde vor dem Ziel an einer Fischbude einen
Bismarckhering und ein Bier. Der Verkaufswagen besaß ein durchsichtiges Vorzelt,
das im Wind flatterte, worüber sich die dralle „Bismarckheringsverkäuferin“
sichtlich ärgerte und immer wieder telefonierte. Die Gespräche waren für alle,
die im Vorzelt standen, laut und deutlich zu hören. Nur so viel: Ich wäre
ungerne der Gesprächspartner der Dame gewesen. Es ging um Heringe, nicht der
Fisch, die die man in den Boden rammt und um Vergesslichkeit. Langsam hörte der Regen auf, die Klamotten hatten gehalten und auch die
Füße waren nicht nass geworden, als ich langsam am Schulau – Willkommenhöft ankam. Ich hatte es geschafft: 195
Kilometer lagen hinter mir. Ein tolles Gefühl, welches zu Hause, als ich mir
die Gesamtstrecke nochmals angesehen hatte, erst richtig angekommen ist. An einem
Verkaufsstand, in dessen Inneren ein gelangweilter Mann
stand, würde ich meine letzte Kohle in
Bier umtauschen. Es wurden drei. Nach und nach entledigte ich mich meiner
Regensachen und beobachtete die Menschen. Vorbeifahrende Schiffe wurden durch
einen Lautsprecher begrüßt, als auch ich begrüßt wurde: Tanja, die tags zuvor
in der Nähe von Hamburg angekommen war, holte mich ab. Ich freute mich, sie zu
sehen, denn ich hatte seit Schleswig kein mir bekanntes Gesicht mehr erblickt.
Ein Piccolo, den Tanja als Willkommensgruß mitbrachte, wurde dann auch gleich
geleert.
Auf der A1 nach Hause sprudelte es nur
so aus mir heraus, alles wollte ich erzählen. Tanja bremste mich wenig ein, um
sich besser auf den Verkehr konzentrieren zu können, so wurde ich stiller und
stiller bis ich fast eingeschlafen war.
Zu Hause angekommen
gingen wir essen, und ich erzählte von
meinen Erlebnissen. Leider ist es uns nicht gelungen, die Beziehung weiter zu festigen. Nach vier Wochen gingen wir getrennte Wege und nach
immer weniger werdenden Kontakten verloren wir uns aus den Augen. Zwei Jahre
später hatte ich erfahren, dass sie ihren Lebensmittelpunkt wieder nach Hamburg
verlegt hatte. Und wie es der Zufall wollte: Am 25. Januar 2014, als ich gerade
die 2. Etappe nach Schleswig nieder
schrieb, begegneten wir uns in meiner Heimatstadt und redeten kurz miteinander.
Gemäß der Aussage meines guten Freundes: „Es werden Dinge geschehen, die du
heute nicht für möglich hältst.“ Wie wahr diese Aussage ist, wird sich auch in
den folgenden Jahren meines Weges durch Deutschland zeigen!
Schon 23,3 Kilometer auf der Betonpiste an der Elbe entlang. Die Hinterlassenschaften der Schafe zu umkurven, habe ich irgendwann aufgegeben!
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