Freitag, 16.
Mai 2008
sonnig ab und an Wolken bei 19 Grad
sonnig ab und an Wolken bei 19 Grad
6. Etappe: Itzehoe – Kremperheide –
Beidenfleth – Wewelsfleth - Glückstadt
Tagesstrecke: 29 km
Gesamtstrecke: 162 km
Wanderweg: Jakobsweg/Elbe Rad Weg
Gesamtstrecke: 162 km
Wanderweg: Jakobsweg/Elbe Rad Weg
Mit dem Lärm, mit dem ich versuchte einzuschlafen,
erwachte ich auch wieder. Schulkinder, die wie überdrehte Rennmäuse über den
Flur hetzten. Um nicht völlig irre zu werden, packte ich schnell meine Sachen
und verließ die Jugendherberge ohne zu frühstücken. Auf dem Weg in die Stadt
bedankte ich mich beim Schicksal, dass ich kein Lehrer geworden war. Die Schüler sicher auch!
Schnell fand ich einen Bäcker. Rucksack runter,
Brötchen eingepackt, Rucksack wieder drauf, ein Brötchen und ein Kaffee to go
in Händen ging es weiter stadtauswärts. Als ich über eine Brücke kam, die den
Fluss Stör überwand, wollte ich auf der Karte meinen weiteren Weg bestimmen. Das
war dann leider nicht möglich, denn die Karte war nicht mehr da! Ich hatte sie
wohl beim Bäcker liegen lassen. Dazu sollte ich erklären, dass ich die zu
benutzende Karte immer außerhalb des Rucksacks, hinter dem Riemen des
Hüftgurtes steckte, um einen schnellen Zugriff zu haben. Beim Aus- und Einpacken
muss ich sie auf dem Tresen liegen gelassen haben. Nun gab es zwei Varianten:
1. Ich laufe zurück oder 2. Ich gehe ab jetzt ohne. Variante zwei war natürlich
Quatsch und so ging ich zurück, holte die Karte, um dann 45 Minuten später an
dem Punkt zu stehen, wo ich den Verlust bemerkte.
Bis Breitenburg ging es auf einem Radweg entlang einer
Landstraße. Vorbei am hiesigen ehemaligen Bundeswehrgelände durch einen Wald
nach Kremperheide. Kurz vor dem Ende des Waldes sah ich einen Mann mit Hund
stehen. Er schien auf mich zu warten, denn immerzu guckte er in meine Richtung.
Bei ihm angekommen, sprach mich der Mitte 50 wirkende freundliche Mann mit
Lederschlapphut an. „Na, wo soll es denn heute hingehen?“ Während ich ein wenig
erzählte, von wo ich komme, wo es heute und überhaupt hingehen sollte,
schnüffelte der mittelgroße, schwarz
gelockte Hund an mir rum. Im Laufe der Erzählung gingen wir langsam weiter. Er
erzählte mir, dass er als junger Mann ebenfalls lange Wanderungen unternommen
hatte. Nach gut einem Kilometer verabschiedete er sich plötzlich, rief seinen
Hund und drehte wieder um. Ich fragte mich, ob er wirklich wissen wollte, was
mein Ziel war oder ob er mir seine Abenteuer berichten wollte. Festzuhalten
bleibt, dass er der Erste auf meinem Weg war, der mit mir über mein Ziel und
Vorhaben sprach, und es sollte an diesem
Tag nicht der Einzige bleiben!
Das Gelände hatte nun ein ganz anderes Bild als die
Tage zuvor. Aus leicht hügeligen Landschaften wie noch um Hohenwestedt, wurde
plattes Marschland. Kurz hinter Kremperheide erblickte ich in der Ferne ein Kraftwerk.
Der Karte zu entnehmen war es gute elf Kilometer entfernt. Es war Brokdorf. Ein
Atomkraftwerk. Irgendwie überkam mich ein Schauer. Dahinten steht nun so ein
Ding, das alles um mich herum in Schutt und Asche legen kann. Die Atomkatastrophe
von Tschernobyl im Jahre 1986 war ein mahnendes
Beispiel und Fukushima, 2011 in die Luft gegangen, kam erst noch. Brokdorf soll
nach Stand 2014 noch bis 2021 Atomstrom produzieren -beängstigend.
Beängstigend war auch mein
weiterer Weg nach Bahren-und Beidenfleth. Wieder mal an Landstraße, wieder mal
ohne Rad- und Fußweg. Um besser gesehen zu werden, hatte ich den knallgelben
Regenschutz des Rucksacks über selbigen gezogen. Zum Glück sind mir auf diesen
zwei Kilometer nur wenige Autos begegnet.
Bei Beidenfleth musste ich
eine Fähre über die Stör nehmen. Diese kleine Fähre wurde von einem etwas
dickeren Mann meines Alters bedient. „Else“, der Name der Fähre, hatte keinen
eigenen Propellerantrieb, sondern wurde durch eine Art Seilwinde von einem zum
anderen Ufer gezogen. Die Fahrt hat einen Euro gekostet und wurde von der
Mutter des „Kapitäns“ einkassiert, die eine coole orange Sonnenbrille trug. Die
Überfahrt von einer Minute, ich war einziger Fahrgast, wurde vom Fährpersonal
genutzt, mich zu fragen, wo ich denn hinwolle. Damit waren sie die Zweiten an
diesem Tage.
Gemütlich ging es weiter entlang eines Deiches. Um nicht wieder
auf einer Landstraße zu laufen, nahm ich einen Umweg in Kauf, der mich an
alten, riesengroßen Bauernhäusern vorbeikommen ließ. Die mit Reet gedeckten
Dächer waren groß wie Tennisplätze. Es war windstill und die Sonne hatte mir
ganz schön die Wärme in den Körper gebracht, als mir ein Mann ohne Schuhe und mit verwahrlostem Eindruck entgegen kam.
Zwischen den schönen reetgedeckten Häusern waren auch immer wieder kleine baufällige
dazwischen. Ob der Mann in einem dieser kleinen Häuser wohnte? Das Kuriose war
aber, dass keine 50 Meter weiter ein kleiner Junge mit seinem elektrischen Auto
den Hof rauf und runter fuhr, ohne den Mann eines Blickes zu würdigen. Ganz
komisch war das!
Komisch war es ebenfalls, dass ich in am Horizont ein sehr
großes Schiff sah. Der Rumpf war durch den Deich verdeckt, die weißen Aufbauten aber
gut zu erkennen. Aus dem Schornstein kamen von Zeit zu Zeit große
Rauchschwaden. Auch große Kräne waren vor Ort. Mein Weg führte direkt dorthin,
nach Wewelsfleth. Wewelsfleth ist ein Dorf an der Stör mit gut 1400 Einwohnern
und einer Werft, der „Peters Werft“.
Im Dorf angekommen, konnte ich nun auch
das Schiff besser erkennen, es ragte riesengroß aus dem Wasser, der Rumpf
tiefblau, die Aufbauten schneeweiß. Eine sogenannte Megajacht.
Gleich gegenüber der Werft
gab es eine Kneipe. Ich verspürte Durst und begab mich in das Wirtshaus. Es gab
einige Tische und Stühle sowie einen Tresen von gut zwei Metern, an den ich
mich setzte. Die weibliche Bedienung, leicht „ökig“ und schick mit wilder Mähne
fragte mich nach meinem Wunsch. Ich brauchte nicht lange zu überlegen und
bestellte Becks Bier. Schnell kamen wir ins Gespräch. Wir redeten über die
Werft und die Megajacht, die für den Emir von Katar gebaut wurde. Es ist die
mit 133 Metern 11 größte Motorjacht der Weltmeere. Das erste Bier war schnell
geleert und das zweite wurde gerade angezapft, als ein Mann im 1.FC Köln Trikot,
Köln konnte am 11. Mai seinen Wiederaufstieg in die 1. Bundesliga feiern, zur
Tür hineinkam. Augenscheinlich der Partner der „Löwenmähne“. Auch er beteiligte
sich an der Unterhaltung, die nun auf mich zu sprechen kam. Also das dritte Mal
an diesem Tage. Der „Geißbock“ Fan konnte meine Beweggründe nicht verstehen,
schüttelte sogar den Kopf, um sich im gleichen Atemzug eine Zigarette anzuzünden.
Da die Kneipe aus einem Raum bestand, griff das Nichtrauchergesetz, Anfang 2008
in Kraft getreten, hier nicht. Ich hatte
mir das Rauchen im Mai 2007 abgewöhnt und doch gelüstete es mich nun danach. Am
Ende hatte ich dann auch zwei Glimmstängel inhaliert, die ich von der „Löwin“
bekommen hatte. Um nicht gänzlich zu versacken, bestand das Getränk Nummer vier
aus Kaffee. Eine selbstgemachte Frikadelle durfte es dann auch noch sein, bevor
ich zahlte, keine 8 Euro, und meinen Weg nach einer Stunde Richtung Elbe fortsetzte.
Die ersten 20 Minuten nach dem
„Kneipenbummel“ waren dann auch recht beschwingt. Vorbei an der Werft, an der
Stör entlang, zum Störsperrwerk.
Oben angekommen, der Blick
frei geradeaus, sah ich die Elbe. Wow, ich war an der Elbe angekommen. Mit
breitem Grinsen folgte ich dem Deich zum Fluss. Kurz setzte ich mich hin und
beobachtete einen Containerfrachter, der mir sehr groß erschein. In
Wirklichkeit war es nur ein kleiner, denn später kam dann ein echter Riese
vorbei. Hamburg-Süd stand auf dem Rumpf, die Maschinen waren dumpf zu hören und
es kam mir vor, als ob ein Hochhaus vorbeischwamm.
Noch vier Kilometer bis zum
Tagesziel Glückstadt. Ich fühlte mich gut, die Beine und die Füße hatten heute
keine Probleme gemacht. Ich war glücklich und das vor Glückstadt, wenn das kein
gutes Omen war.
Die Jugendherberge in Glückstadt, direkt am Hafen gelegen, hatte
erst in diesem Frühjahr eröffnet und ist ein echtes Highlight.
Mein Familienzimmer mit Dusche und WC war besser als so manches Hotelzimmer. Der
Jugendherbergsvater, den ich in diesem Fall, Jugendherbergsmanager nennen
möchte, war smart und sehr aufgeschlossen. Er war der Vierte, der sich heute für
meine Tour interessiert hatte.
Der Tag neigte sich dem Ende
entgegen. Als ich am Abend am Hafeneingang auf einer höher gelegenen Terrasse
eines Restaurants zu Abend gegessen hatte, ging die Sonne Richtung Elbe unter.
Die Fähren, Glückstadt-Wischhafen pendelten unermüdlich hin und her. Es kühlte
merklich ab, was auch an der Brise lag, die über die Elbe kam. Morgen würde die
letzte Etappe 2008 mit guten 33 Kilometern folgen. Das Wetter war bis heute
immer bestens zum Wandern. Morgen sollte es, laut
Zeitung, regnen. Die Wolkenfront im Süden könnten die ersten Vorboten
sein-abwarten.
"Else", hat mich sicher, binnen einer Minute, über die Stör gebracht.
Die "Al Mirqab", in Wewelsfleth gebaut, ist eine Mega Yacht, die sich im Besitz des Emir von Katar, befindet. Die 133 Meter lange Yacht steht auf Platz 11 der Liste der längsten Motorachten.
Mein erster Blick zur Elbe, kurz hinter dem Störsperrwerk.
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