Samstag, 8. Februar 2014

6. Etappe....10. - 17.Mai 2008



Freitag, 16. Mai 2008
sonnig ab und an Wolken bei 19 Grad                         

6. Etappe: Itzehoe – Kremperheide – Beidenfleth – Wewelsfleth - Glückstadt

Tagesstrecke:  29 km
Gesamtstrecke: 162 km
Wanderweg: Jakobsweg/Elbe Rad Weg

Mit dem Lärm, mit dem ich versuchte einzuschlafen, erwachte ich auch wieder. Schulkinder, die wie überdrehte Rennmäuse über den Flur hetzten. Um nicht völlig irre zu werden, packte ich schnell meine Sachen und verließ die Jugendherberge ohne zu frühstücken. Auf dem Weg in die Stadt bedankte ich mich beim Schicksal, dass ich kein Lehrer geworden war. Die Schüler sicher auch!

Schnell fand ich einen Bäcker. Rucksack runter, Brötchen eingepackt, Rucksack wieder drauf, ein Brötchen und ein Kaffee to go in Händen ging es weiter stadtauswärts. Als ich über eine Brücke kam, die den Fluss Stör überwand, wollte ich auf der Karte meinen weiteren Weg bestimmen. Das war dann leider nicht möglich, denn die Karte war nicht mehr da! Ich hatte sie wohl beim Bäcker liegen lassen. Dazu sollte ich erklären, dass ich die zu benutzende Karte immer außerhalb des Rucksacks, hinter dem Riemen des Hüftgurtes steckte, um einen schnellen Zugriff zu haben. Beim Aus- und Einpacken muss ich sie auf dem Tresen liegen gelassen haben. Nun gab es zwei Varianten: 1. Ich laufe zurück oder 2. Ich gehe ab jetzt ohne. Variante zwei war natürlich Quatsch und so ging ich zurück, holte die Karte, um dann 45 Minuten später an dem Punkt zu stehen, wo ich den Verlust bemerkte.

Bis Breitenburg ging es auf einem Radweg entlang einer Landstraße. Vorbei am hiesigen ehemaligen Bundeswehrgelände durch einen Wald nach Kremperheide. Kurz vor dem Ende des Waldes sah ich einen Mann mit Hund stehen. Er schien auf mich zu warten, denn immerzu guckte er in meine Richtung. Bei ihm angekommen, sprach mich der Mitte 50 wirkende freundliche Mann mit Lederschlapphut an. „Na, wo soll es denn heute hingehen?“ Während ich ein wenig erzählte, von wo ich komme, wo es heute und überhaupt hingehen sollte, schnüffelte der  mittelgroße, schwarz gelockte Hund an mir rum. Im Laufe der Erzählung gingen wir langsam weiter. Er erzählte mir, dass er als junger Mann ebenfalls lange Wanderungen unternommen hatte. Nach gut einem Kilometer verabschiedete er sich plötzlich, rief seinen Hund und drehte wieder um. Ich fragte mich, ob er wirklich wissen wollte, was mein Ziel war oder ob er mir seine Abenteuer berichten wollte. Festzuhalten bleibt, dass er der Erste auf meinem Weg war, der mit mir über mein Ziel und Vorhaben sprach, und es sollte an diesem Tag nicht der Einzige bleiben!

Das Gelände hatte nun ein ganz anderes Bild als die Tage zuvor. Aus leicht hügeligen Landschaften wie noch um Hohenwestedt, wurde plattes Marschland. Kurz hinter Kremperheide erblickte ich in der Ferne ein Kraftwerk. Der Karte zu entnehmen war es gute elf Kilometer entfernt. Es war Brokdorf. Ein Atomkraftwerk. Irgendwie überkam mich ein Schauer. Dahinten steht nun so ein Ding, das alles um mich herum in Schutt und Asche legen kann. Die Atomkatastrophe von Tschernobyl im Jahre 1986 war ein mahnendes Beispiel und Fukushima, 2011 in die Luft gegangen, kam erst noch. Brokdorf soll nach Stand 2014 noch bis 2021 Atomstrom produzieren -beängstigend.

Beängstigend war auch mein weiterer Weg nach Bahren-und Beidenfleth. Wieder mal an Landstraße, wieder mal ohne Rad- und Fußweg. Um besser gesehen zu werden, hatte ich den knallgelben Regenschutz des Rucksacks über selbigen gezogen. Zum Glück sind mir auf diesen zwei Kilometer nur wenige Autos begegnet.

Bei Beidenfleth musste ich eine Fähre über die Stör nehmen. Diese kleine Fähre wurde von einem etwas dickeren Mann meines Alters bedient. „Else“, der Name der Fähre, hatte keinen eigenen Propellerantrieb, sondern wurde durch eine Art Seilwinde von einem zum anderen Ufer gezogen. Die Fahrt hat einen Euro gekostet und wurde von der Mutter des „Kapitäns“ einkassiert, die eine coole orange Sonnenbrille trug. Die Überfahrt von einer Minute, ich war einziger Fahrgast, wurde vom Fährpersonal genutzt, mich zu fragen, wo ich denn hinwolle. Damit waren sie die Zweiten an diesem Tage.
Gemütlich ging es weiter entlang eines Deiches. Um nicht wieder auf einer Landstraße zu laufen, nahm ich einen Umweg in Kauf, der mich an alten, riesengroßen Bauernhäusern vorbeikommen ließ. Die mit Reet gedeckten Dächer waren groß wie Tennisplätze. Es war windstill und die Sonne hatte mir ganz schön die Wärme in den Körper gebracht, als mir ein Mann ohne Schuhe und  mit verwahrlostem Eindruck entgegen kam. Zwischen den schönen reetgedeckten Häusern waren auch immer wieder kleine baufällige dazwischen. Ob der Mann in einem dieser kleinen Häuser wohnte? Das Kuriose war aber, dass keine 50 Meter weiter ein kleiner Junge mit seinem elektrischen Auto den Hof rauf und runter fuhr, ohne den Mann eines Blickes zu würdigen. Ganz komisch war das!
Komisch war es ebenfalls, dass ich in am Horizont ein sehr großes Schiff sah. Der Rumpf war durch den Deich verdeckt, die weißen Aufbauten aber gut zu erkennen. Aus dem Schornstein kamen von Zeit zu Zeit große Rauchschwaden. Auch große Kräne waren vor Ort. Mein Weg führte direkt dorthin, nach Wewelsfleth. Wewelsfleth ist ein Dorf an der Stör mit gut 1400 Einwohnern und einer Werft, der „Peters Werft“.
Im Dorf angekommen, konnte ich nun auch das Schiff besser erkennen, es ragte riesengroß aus dem Wasser, der Rumpf tiefblau, die Aufbauten schneeweiß. Eine sogenannte Megajacht.

Gleich gegenüber der Werft gab es eine Kneipe. Ich verspürte Durst und begab mich in das Wirtshaus. Es gab einige Tische und Stühle sowie einen Tresen von gut zwei Metern, an den ich mich setzte. Die weibliche Bedienung, leicht „ökig“ und schick mit wilder Mähne fragte mich nach meinem Wunsch. Ich brauchte nicht lange zu überlegen und bestellte Becks Bier. Schnell kamen wir ins Gespräch. Wir redeten über die Werft und die Megajacht, die für den Emir von Katar gebaut wurde. Es ist die mit 133 Metern 11 größte Motorjacht der Weltmeere. Das erste Bier war schnell geleert und das zweite wurde gerade angezapft, als ein Mann im 1.FC Köln Trikot, Köln konnte am 11. Mai seinen Wiederaufstieg in die 1. Bundesliga feiern, zur Tür hineinkam. Augenscheinlich der Partner der „Löwenmähne“. Auch er beteiligte sich an der Unterhaltung, die nun auf mich zu sprechen kam. Also das dritte Mal an diesem Tage. Der „Geißbock“ Fan konnte meine Beweggründe nicht verstehen, schüttelte sogar den Kopf, um sich im gleichen Atemzug eine Zigarette anzuzünden. Da die Kneipe aus einem Raum bestand, griff das Nichtrauchergesetz, Anfang 2008 in Kraft getreten, hier nicht.  Ich hatte mir das Rauchen im Mai 2007 abgewöhnt und doch gelüstete es mich nun danach. Am Ende hatte ich dann auch zwei Glimmstängel inhaliert, die ich von der „Löwin“ bekommen hatte. Um nicht gänzlich zu versacken, bestand das Getränk Nummer vier aus Kaffee. Eine selbstgemachte Frikadelle durfte es dann auch noch sein, bevor ich zahlte, keine 8 Euro, und meinen Weg nach einer Stunde Richtung Elbe fortsetzte. 

Die ersten 20 Minuten nach dem „Kneipenbummel“ waren dann auch recht beschwingt. Vorbei an der Werft, an der Stör entlang, zum Störsperrwerk.
Oben angekommen, der Blick frei geradeaus, sah ich die Elbe. Wow, ich war an der Elbe angekommen. Mit breitem Grinsen folgte ich dem Deich zum Fluss. Kurz setzte ich mich hin und beobachtete einen Containerfrachter, der mir sehr groß erschein. In Wirklichkeit war es nur ein kleiner, denn später kam dann ein echter Riese vorbei. Hamburg-Süd stand auf dem Rumpf, die Maschinen waren dumpf zu hören und es kam mir vor, als ob ein Hochhaus vorbeischwamm.

Noch vier Kilometer bis zum Tagesziel Glückstadt. Ich fühlte mich gut, die Beine und die Füße hatten heute keine Probleme gemacht. Ich war glücklich und das vor Glückstadt, wenn das kein gutes Omen war.
Die Jugendherberge in Glückstadt, direkt am Hafen gelegen, hatte erst in diesem Frühjahr eröffnet und ist ein echtes  Highlight. Mein Familienzimmer mit Dusche und WC war besser als so manches Hotelzimmer. Der Jugendherbergsvater, den ich in diesem Fall, Jugendherbergsmanager nennen möchte, war smart und sehr aufgeschlossen. Er war der Vierte, der sich heute für meine Tour interessiert hatte.

Der Tag neigte sich dem Ende entgegen. Als ich am Abend am Hafeneingang auf einer höher gelegenen Terrasse eines Restaurants zu Abend gegessen hatte, ging die Sonne Richtung Elbe unter. Die Fähren, Glückstadt-Wischhafen pendelten unermüdlich hin und her. Es kühlte merklich ab, was auch an der Brise lag, die über die Elbe kam. Morgen würde die letzte Etappe 2008 mit guten 33 Kilometern folgen. Das Wetter war bis heute immer bestens zum Wandern. Morgen sollte es, laut Zeitung, regnen. Die Wolkenfront im Süden könnten die ersten Vorboten sein-abwarten.  



 






    
"Else", hat mich sicher, binnen einer Minute, über die Stör gebracht.








Die "Al Mirqab", in Wewelsfleth gebaut, ist eine Mega Yacht, die sich im Besitz des Emir von Katar, befindet. Die 133 Meter lange Yacht steht auf Platz 11 der Liste der längsten Motorachten.













Mein erster Blick zur Elbe, kurz hinter dem Störsperrwerk.











Die Jugendherberge in Glückstadt kommt einem Hotel gleich und liegt direkt am Hafen.





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