Sonntag,
06. Mai 2012
Etwas Regen bei 10 Grad
27. Etappe: Helmingshausen – Bontkirchen - Brilon
Etwas Regen bei 10 Grad
27. Etappe: Helmingshausen – Bontkirchen - Brilon
Tagesstrecke:
18 km
Gesamtstrecke: 678 km
Wanderweg: Regionale Wege
Gesamtstrecke: 678 km
Wanderweg: Regionale Wege
Rechtzeitig
wurden wir wach. Es war also kein Traum, das Zimmer mit dem netten
„Geschenkpapierbild“ war real. Geduscht und versorgt ging es in den Speisesaal,
den schon andere Gäste aufgesucht hatten. Das Frühstück war Standard und bot
genug, um gestärkt zu starten. Der Blick nach draußen versprach weder
Sonnenschein noch Regenwetter. Letztlich war alles drin.
10
Uhr, nach dem Bezahlen, 100 Euro für Übernachtung und Frühstück und dem
Abendessen, ging es los zum Diemelsee.
Nachdem wir die Diemelsperre überwunden hatten, konnten wir den See in
Teilen sehen. 2,5 Kilometer ging er nach Westen, 2,5 Kilometer nach Süden. Die
kleinen Verkaufsstände und Sitzmöglichkeiten am Ufer ließen erahnen, was hier
bei schönem Wetter so los sein kann. Bevor es für uns oberhalb des Sees weiter
gehen sollte, mussten wir erst mal an der Straße entlang laufen. Der Weg
oberhalb war sehr schön. Rechte Hand der dichte Wald, linke Hand der See mit
Weitblick. Es zog sich leicht zu, so dass das Hochsauerland in den Wolken
verschwand.
Den
See hinter uns gelassen, fing es nun doch merklich an zu regnen. Die
Regensachen wurden übergestreift und die Stimmung wurde, wie der Himmel,
bedeckt. Um nach Bontkirchen zu gelangen, mussten wir mal wieder an einer
Straße ohne Fuß- und Radweg entlang. Ich „liebe“ das, und mir fällt dann immer
Hans-Peter Kerkeling ein, der in seinem Buch „Ich bin dann mal weg“ beschrieb,
nur mit Glück so eine Passage überlebt zu haben, die an einer sehr befahrenen
Straße entlang führte. Nun gut, uns kam nur ein Auto entgegen, Lebensgefahr
bestand nicht, ich hasse es trotzdem.
In
Bontkirchen angekommen, war uns nach Essen und Trinken. Das Dorf mit seinen gut
520 Einwohnern schien erst mal nicht sehr belebt. Unsere Hoffnung, hier etwas
zu Essen zu bekommen, schwand, als wir feststellten, dass der Dorfkrug
geschlossen hatte. Ein Hinweisschild mit den Symbolen von Messer und Gabel weckte
unser Interesse. Keine 100 Meter weiter standen wir vor einem Gasthaus, das
schon von außen einen guten Eindruck auf uns machte. Den Gastraum betreten, kam
uns als erstes einiges an menschlichem Gebrabbel entgegen, als zweites eine
sehr zuvorkommende Bedienung, die uns sofort einen schönen Tisch in einer Ecke
mit Rundbank anbot. Die Regenklamotten konnten wir an einen Ständer hängen, der
unweit eines brennenden Ofens stand. Froh, eine „Futterkrippe“ gefunden zu
haben, sondierten wir unser Umfeld. Da gab es zum einen einen sehr großen Saal,
in den wir gelegentlich gucken konnten, wenn spielende Kinder die große
Schiebetür öffneten. Hier fand augenscheinlich eine Familienfeier im großen
Stil statt. Festlich gekleidete Gäste jeden Alters. Zum anderen einen Tresen,
der am heutigen Sonntag wohl zum Frühschoppen genutzt wurde. In dem Bereich, in
dem wir saßen, waren wir die einzigen Gäste. Das erste Bierchen war bestellt
und bereits am Platz. Die Speisekarte hatte dann doch Überraschungen parat, die
uns staunen ließen. Die Speisen auf der Karte trieben einem schon das Wasser im
Mund zusammen und die Preise waren sehr human. So bestellten wir wie folgt:
Vorab eine Suppe aus frischem Bärlauch. Es folgte Lamm mit Spargel und Bärlauchpesto
und zum Abschluss einen kleinen, aber feinen Joghurt mit Vanille und Minze.
Abgerundet wurde mit dem einen oder anderen Bierchen. Die Bedienung war sehr
aufmerksam und uns war schnell klar, dass das ein Spross des Hauses war. Ein
kurzes Gespräch vor dem Gehen offenbarte die Vermutung. Vater kocht, Mutter und
die beiden gutaussehenden Kinder in der Bedienung. Vier Sterne von uns. Zu
guter Letzt sei noch gesagt, dass wir insgesamt nur 30 Euro zahlten! In den
zweieinhalb Stunden, die wir uns im Gasthaus aufgehalten hatten, hatte auch der
Regen nachgelassen. Die Regensachen konnten im Rucksack ihren Platz finden.
Am
Ortsende ging es dann bergan, die Beschilderung war etwas versteckt. Durch
Wälder und entlang einiger Schonungen kamen wir auf ein freies Feld, an dessen
Ende vor einem Wald, den wir als nächstes queren müssten, merkwürdige Tiere
standen. Erst hielt ich es für Lamas, doch bei näherem hinsehen und mit Astrids
Hilfe erkannten wir Alkapas.
Der
Weg führte uns nun wieder bergab, was erst mal im Mittelgebirge nichts Ungewöhnliches
war. Der Weg war jedoch so rutschig, dass es uns schwer fiel, nicht auf dem
Hosenboden zu landen. Der mit Bärlauch bewachsene Waldboden wurde nur noch am
Rande wahrgenommen. Endlich wieder an einem festen Weg angekommen, merkte ich
schnell, dass Astrid mit ihrem Schuhwerk merklich Probleme bekam. Es wirkte
unrund und immer wieder wurden die Schuhe geöffnet und wieder zugeschnürt. Der
Grund war wohl die Rutschpartie zuvor. Leider quälte sich Astrid bis nach
Brilon damit.
Wir
waren gut in der Zeit, die Landschaft war schön und die Wege gut befestigt, als
wir auf der anderen Bergseite bemerkten, dass der Berg so gar nicht mehr
bewaldet war. Da waren sie nun, die ersten sichtbaren Folgen des Sturms Kyrill,
der im Januar 2007 über Europa, Deutschland und eben das Sauerland jagte.
Dieser Anblick wird mich die weiteren Tage noch mehr beschäftigen.
Am
letzten Anstieg, bevor es runter nach Brilon ging, kamen wir an einer mäßig
großen Kurklinik vorbei. Hier sollten Menschen mit Sehbehinderung gesundheitlich
versorgt werden. Es gab auch Wanderwege mit Geländer und Blindenschrift.
Irgendwie bekam ich ein komisches Gefühl. Viele Dinge gingen mir durch den
Kopf. Nicht sehen können. Was bedeutet das, was macht das mit einem, wie ginge
das überhaupt. Da ich ein sehr visueller Mensch bin, ist das eine für mich
nicht vorstellbare Situation. So wurde ich still und dachte über meinen Weg
nach, meinen Weg durch meine Heimat, die ich zum Glück mit allen Sinnen
erfahren darf. In Gedanken versunken, dankbar für meine Gesundheit zu sein,
bemerkte ich nicht, oder wollte es nicht bemerken, dass Astrid sich immer
wieder mit ihrem Schuhwerk rum ärgerte. Mittlerweile war ich sogar genervt
davon. Nicht nett, aber es war so.
Brilon
war in Sichtweite. Häuser wurden mehr und dann kann das „Ah ha“ Erlebnis. Vor
mir, an einem Baum, erstrahlte in knalligem Rot der für mich erste Wegweiser
des Rothaarsteiges. Mein Grinsen zog sich vom linken bis zum rechten Ohr. So
sieht er nun aus, der originale Wegweiser, der mich bis zum 12. April 2013
durch das Hochsauerland begleiten wird.
In
Brilon angekommen wurde das stadtnahe Hotel schnell gefunden. Das Zimmer war ein
Genuss. Riesengroßes Bett, schönes Bad, Wohlfühlsofa. Astrid
versorgte ihre geschundenen Füße, während ich ein kleines Schläfchen hielt. In
Brilon selbst haben wir nur einen kurzen Spaziergang gemacht und uns abends im
Bett die Brote zugeführt, die wir am Tage nicht aßen, natürlich mit Farbfernsehen,
Nachrichten und Wetterbericht.
Ein
schöner Tag, mit dem kulinarischen Highlight in Bontkirchen, ging dem Ende
entgegen. Morgen früh sollte es noch eine Überraschung geben, die ich so weder
Vor-noch Nachher erlebt habe.
Diemelsee Staumauer am Morgen.
Diemelsee Richtung Westen. Ohne Wolken wäre das Hochsauerland zu sehen!
Am Eingangsportal zum Rothaarsteig in Brilon. Der rote Wegweiser wird mich ab der 28. Etappe 9 Etappen begleiter. (154 Km-3.900 Höhenmeter)
Ich freue mich sehr, auch wenn man es mir nicht ansieht.
Innerliche Freude eben!
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